Bella Ciao.. #1

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...Sie lehnte sich über die rote Fahne und fragte ihn "wie geht es jetzt weiter?" Sie hielt das letzte Stück, was von ihrer roten Arbeiterfahne übrig geblieben ist fest in ihrer Hand.  Der Massenansturm der Demonstration war längst vorüber und es roch in der Luft noch nach der Asche des Feuers. Die Reste der bengalischen Lichter waren am Straßenrand zu erkennen. Auf den Straßen war die Stille quälend laut. Sie hielt sich die Ohren zu. Er legte den Arm um Sie und wusste, jede Antwort auf ihre Frage wäre falsch. 
Er: " Mein Vater lehrte mich stark in dieser Welt zu sein." 
Sie: "Du meinst wohl eher kalt?", wies sie ihn zurecht. In seinen Augen sah sie Enttäuschung und Trauer. 
Er: "Wieso sagst du das? Du musst lernen deine Gefühle unter Kontrolle zu haben. Wenn dein Verstand dich nicht bestimmt, wirst du niemals deine Ziele erreichen." Sie schaute ihne fragend an. Wieso ist es ihm so wichtig, welchen Weg sie geht? Er hat ihr vor Jahren noch zu verstehen gegeben, dass sie im Grunde ganz alleine war. 

In ihrer Vergangenheit wurde sie viel mit Gewalt konfrontiert. Auf all ihre Fragen war Gewalt die Antwort. Sie musste flüchten, damit sie an einem anderen Ort neu beginnen und endlich das Leben führen kann, was sie sich immer wünschte. Er war ihr Halt, als sie ankam, er war es, der für sie sorgte. Bis er beschloss seinen eigenen Weg zu gehen, ein Weg, auf dem für sie kein Platz war. Es vergingen Jahre und sie verloren sich völlig aus den Augen. Sie konnten nicht ahnen, dass sie sich ausgerechnet in diesem schweren Kampf wieder sahen.
Er: "Du hast in all den Jahren den Mut also nicht verloren?!", begann er nach den langen Schweigen. 
Sie: "Machst du Witze? Du bist damals, als ich deinen Rat am Meisten brauchte einfach abgehauen. Ich hatte nie vor aufzugeben.", fuhr sie ihn an.
Er: "Ich musste gehen. Du weißt genau, dass wir unsere Ziele niemals gemeinsam verfolgen konnten. Nicht, seit ich erkannt habe, dass du deine Gefühle nicht unter Kontrolle hast. Wir hatten eine Vereinbahrung. Für diesen Kampf war es das oberste Gebot den Verstand an erster Stelle zu haben."
Sie: "Ach komm, ich bitte dich. Wenn das der einzige Grund war einfach zu verschwinden, war es niemals deine Absicht in diesen Kampf zu ziehen." 
Er: "Können wir das bitte später klären, ich muss diese Stunden erstmal verdauen." 
Sie: " Eigentlich hätte uns klar sein müssen, dass wir uns heute begegnen. Die Genossen im ganzen Land bereiten seit über einem Jahr diesen Kampf vor. Ich muss dumm sein zu glauben, dass du deiner Lebensaufgabe nicht nachkommst. "
Er: " Heute sind Menschen getötet wurden. Hätte ich den Jungen nicht weggebracht, wäre er vor meinen Augen verblutet. "
Sie: " Du hast ihn gerettet! Er ist dir dankbar und ich auch. " Sie hat schon immer seinen Gerechtigkeitssinn bewundert. Beide sprachen in ihrem Stammlokal von damals, die ganze Nacht durch und fachsimpelten, philosophierten und schwärmten von alten Zeiten in Aufbruchstimmung. Jetzt war die Zeit gekommen. 



Er kam mit zwei Flaschen Club Mate zurück zum Tisch.
Sie: "Hey, du weißt doch, dass ich diesen Mainstreamscheiß nicht trinke. Bring mir eine Fritz Cola"
Er: "Ach, das ist besser?" Er grinste arroggant und brachte ihr eine Fritz Cola.
Er: " wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen, erzähl mal. "
Sie: " Wie soll es mir schon ergangen sein? Du warst auf einmal weg und ich musste mein Leben neu ordnen. Ich habe mich entwickelt, neue Orte und neue Menschen zerstören meine Psyche nicht mehr. Ich bin in Therapie und kämpfe Tag für Tag um mein Glück. Du hättest dich wenigstens mal melden können."
Er: " Ich habe dir damals gesagt, dass wir uns wiedersehen werden. Ich freue mich, dass es dir gut geht und du dein Leben in den Griff bekommst. Wir waren ein gutes Team und ich vermisse unsere Zeiten, aber ich weiß nicht, ob es so werden würde wie früher. Das damals war ein tiefer Schnitt."
Sie: " Wir waren Freunde! Es war nicht MEINE Absicht diese Freundschaft in die Brüche gehen zu lassen. "
Er: " Eine Freundschaft kann auf der Grundlage von bestimmten Gefühlen nicht funktionieren. Schon gar nicht, wenn so etwas großes geplant wird, wie wir es taten."
Sie: " Ich habe dir doch damals gesagt, dass diese Gefühle nie zwischen uns stehen würden."
Er: " Du warst völlig fertig! Du hast unser eigentliches Vorhaben völlig aus den Augen verloren. Unser gemeinsames Ziel, was hätte die Welt verändern können. UNSERE Revolution. Ich wusste, dass wir beide an diesem Ziel festhalten würden, allerdings musste es ohne unseren Kontakt zueinander erfolgen. Sieh was wir mit all unseren Verbündeten geschafft haben! "
Sie: " Jetzt im Nachhinein weiß ich ja, dass deine Entscheidung völlig richtig war, aber ich habe dich als Mensch verloren. Ich kann dich überhaupt nicht mehr greifen. "
Er: " Gib uns Zeit, unsere Verbungenheit wird wieder. Ich habe übrigens geheiratet. Hast du dich inzwischen neu verliebt?"
Jetzt sind sie doch auf dieses Thema gekommen. Natürlich hat sich in ihren Kreisen die Heirat schon rumgesprochen und eigentlich wollte sie dieses Thema vermeiden. 
Sie: " Das habe ich schon gehört. Glückwunsch. Äh, nein ich habe momentan keinen Kopf für eine Liebe. " Natürlich wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einen Mann, der sie genau so nimmt und versteht wie sie ist, aber sie wollte vor ihm auf keinen Fall schwach wirken. 
Er: " Ah klar, das verstehe ich, jetzt wo wir so kurz vor unserem Ziel stehen. Ich würde dir gerne meine Frau vorstellen. Hast du kommende Woche Zeit? Ich bin noch eine Weile hier in der Stadt und meine Frau ist bei ihren Eltern hier zu Besuch. "
Na toll, auch das noch. Jetzt will er ihr auch noch seine frisch Vermählte vorstellen. Sie wusste noch nicht wie sie aussah, aber er ist ein gutaussehnder, charismatischer, smarter Mann. Er muss eine ebenso wunderschöne Frau haben. Ihr Selbstwertgefühl schwand von Sekunde zu Sekunde. Sie erinnerte sich an die Worte ihres Therapeuten -> "machen Sie sich bewusst, was Sie in ihrem Leben alles schon erreicht haben." Auch dieser Satz half nichts. Sie lächelte kurz.
Sie: " Du, ich muss jetzt gehen, das war ein harter Tag und eine harte Nacht. Ich ruf dich an."
Er: " oh äh, ja klar, ich werde auch gleich gehen. Oder soll ich dich noch nach Hause begleiten? In den Straßen tümmeln sich noch Menschen, denen ich dich sehr ungern anvertraue. " Sie lachte schmeichelnd.
Sie: " nein nein, danke dir, aber meinen Nachhauseweg schaffe ich sicher alleine, ich habe das nötige Werkzeug in meiner Tasche, um mich zu verteidigen ;) "
Sie umarmten sich noch und für beide fühlte es sich für einen kurzen Moment so an, als hätten sie sich nie aus den Augen verloren. 

Zu Hause grübelte sie noch stundenlang im Bett nach wieso sie scheinbar doch noch etwas für ihn empfand. Das muss sie schließlich, denn sonst würde es ihr keinen großen Kummer bereiten, dass er nun verheiratet ist. Sie malte sich die verschiedensten Frauenbilder aus. Wie wird sie wohl aussehen und wo hat er sie überhaupt kennengelernt? Ist sie auch politisch aktiv? Muss sie ja, wo soll er sie denn sonst kennengelernt haben. Er wird sich wohl kaum auf eine Frau einlassen, die politisch nichts auf dem Kasten hat. Das würde ihn nur langweilen und abturnen. Es ließ ihr einfach keine Ruhe.. wütend über sich selber schlief sie schließlich im Morgengrauen endlich ein....  

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