Queen of fools statt Queen of hearts

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Ich sitze am Tresen einer Bar und starre Löcher in den Tresentisch vor mir. Mittlerweile habe ich eine Flasche Wein geleert und nippe an meinem letzten Glas. Im Hintergrund läuft Christian Kjellvander mit "No Heaven" und ich wippe langsam im Takt mit. Ich habe nicht mitgezählt, aber ich erinnere mich, dass seit dem ich hier bin stimmungsmäßig nichts anderes läuft. Als hätte der Typ hinter dem Tresen extra eine Playlist angeschmissen, die direkt zu meiner seelischen Verfassung passt. Ich merke, wie seine Blicke auf mir kleben. Aber wieso sollten nicht auch mal depressive Frauen einsam an einem Tresen kleben und ihre Gefühle im Alkohol versenken?! Idiot!
Ich singe leise mit

"Cronically half heavy hearted
Darkness I need you, to get something started
Could go driving?
Could go walking?
But not inwards?
It blends with the soul"

Manchmal muss man sich seinem seelischen Schmerz hingeben, um neue Kraft tanken zu können oder manchmal ist man eben so schwach, dass man nicht anders kann und dann endet man hier an diesem Tresen. Bei mir ist gerade letzteres der Fall. Alles kam in den letzten Tagen zusammen. Ausgerechnet jetzt hatte ich gerade meinen Abschlusstermin in der Thera hinter mir. Ausgerechnet jetzt bricht alles wieder ein. Für Außenstehende scheine ich einen an der Klatsche zu haben. Mein Leben läuft schließlich in völlig gerader Bahn. Super Job, super Kohle, Beziehung, ich kann mir Dinge leisten ohne darüber nachzudenken und gleichzeitig sparen. Diese Existenzängste, die den Großteil der Menschen plagt habe ich nicht. Warum um alles in der Welt müssen sich Menschen immer scheiße fühlen, egal wie abgesichert sie sind? Warum fühlen wir uns scheiße, obwohl wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen können? Ich habe Wasser, Essen ohne Ende, eine super Wohnung, erfahre Liebe.. Liebe. Ahaa. Ein Wort in dieser Aufzählung, welches nicht greifbar ist. Ich hatte schon immer Probleme mit nicht greifbaren und unnahbaren Dingen oder Menschen. Das sind genau die Dinge, die mich hier an diesem Tresen sitzen lassen. Sie verletzen mich und faszinieren mich gleichzeitig. Ein Mensch, der für mich unerreichbar nah ist, fasziniert mich, raubt mir den letzten Atem und lässt mich nachts in einer halbleeren, abgefuckten Bar am Tresen meinen Kummer im Alkohol ertränken. Nichts Neues und auch kein Grund zur Besorgnis. Das läuft schon immer so, daran habe ich mich gewöhnt und es ist für mich so normal wie das Sonntagsgebet in der Kirche für meine Urgroßmutter. Die meisten Menschen begreifen es nur nicht und machen sich hysterisch Sorgen - so wie der Typ hinter dem Tresen, der mich schon die ganze Zeit anstarrt und mir nur zögerlich neuen Wein in mein Glas einschenkt. "Alles in Ordnung bei dir? Du siehst nicht so glücklich aus." Ich zucke zusammen und begreife erst nach einigen Sekunden, dass der Typ mit mir redet. "äh ja klar ist alles in Ordnung. Wieso?" Der Typ beugt runzelt die Stirn und beugt sich zu mir hervor "na vielleicht, weil du an einem Freitag Abend alleine in einer halbleeren Bar in dein 6. Weinglas starrst?" "Ja und?", keife ich ihn an. "bin sicherlich nicht die Erste, die das macht." - "Um ehrlich zu sein schon. Ich arbeite jetzt seit 5 Jahren hier und in dieser gesamten Zeit saß hier am Tresen noch nie ein weiblicher Trauerkloß." Ich mustere den Typen einige Sekunden. Liegt vielleicht am Wein, aber ich finde, er sieht gar nicht mal so übel aus. Er ist ca. 1,80m groß, relativ breite Statur, trainiert vielleicht oder so. Ich bin zu betrunken, um ihn richtig einschätzen zu können. Was mir aber definitiv auffällt sind seine Augen und sein grinsen. Wahnsinn, ist das sexy! Ich versuche mich davon nicht ablenken zu lassen. "na und? Was soll'n das heißen? Dürfen Frauen nicht auch mal Freitag Nacht allein einen kippen? Steht das nur Männern zu? Haben nur Männer ein scheiß Leben verdient? Und jetzt sag nicht, dass die hier sitzen, weil die Frauen ja ach so böse sind. Ihr beschissenen Männer seid es nämllich, die uns Frauen zur Verzweiflung bringen. Auf nichts wollt ihr euch festlegen, weil ihr Schiss habt vor der Verantwortung!" Vor lauter Empörung schmeiße ich das halbvolle Weinglas um. "ok Süße, ich glaube du hast genug für heute. Ich weiß zwar nicht, was da bei dir grad abgeht und was du für Probleme hast, aber ich denke SO findest du auf keinen Fall eine Lösung. Ich mach die Hütte hier in 15min sowieso dicht und dann bring ich dich nach Hause." Er sammelt die Scherben auf und wischt den Wein von der Theke. Langsam wird mir bewusst wie armseelig ich eigentlich bin. Leise grummel ich vor mich hin, wie scheisse doch das Leben ist. Ich werde meiner Rolle von der super Durchgeknallten ziemlich gerecht, aber ich bin zu betrunken, um es steuern zu können. Jegliche Kontrolle über mich selbst habe ich mal wieder völlig verloren. Es scheint so, als würde das diesen Typen wenig beeindrucken. "Hey, wie heißt du eigentlich?", frage ich und schwanke leicht vom Stuhl. Inzwischen ertönt ein super langsamsen Cover von HIM durch die Boxen: Wicked Game von James Vincent McMorrow. Ich stelle erstaunt fest, dass ich neben dem Typen die Einzige in dieser Bar bin. Oh Oh. Der Typ schließt die Tür zur Bar ab und kommt wieder hinter den Tresen. "Ich bezweifle, dass du dir in deinem Zustand meinen Namen merken kannst aber ich heiße Onur." Ich fange an zu lachen und kann nicht mehr aufhören. "Das ist so witzig, ich kannte auch mal einen Onur und der war ziemlich witzig. Bist du auch witzig?" Noch bevor ich seinen iritierten Blick wahrnehmen kann, fällt mir auf, was für einen Mist ich da eigentlich erzähle. Ich bin betrunken, ich kann mich wie gesagt absolut nicht steuern. Aber ist auch egal, ich seh den Typen sowieso hoffentlich nie wieder. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch noch nicht, was mir später noch passieren würde..
Onur schaute mich ziemlich ungläubig an. "ähh. Ja. Ich geh noch nach hinten und mach alles zu und dann können wir. Kasse wird morgen früh gemacht. Warte kurz." Ohne zu wissen, was er meint, nicke ich ihm zustimmend zu. Als er nach hinten verschwindet, nutze ich die Gelegenheit, husche schnell hinter den Tresen und nehme mir den hochprozentigsten Schnaps, den ich finden kann.

"Geh mit mir bis ans Ende der Hölle, damit die Sehnsucht verbrennt. Damit nichts, was ich mit dir verbinde, damit nichts davon bleibt." Wimmert es schallend durch die Bar. Geil ey, diese Stimme von Philipp Poisel hört man unter 298347 anderen Stimmen heraus. In was für einer scheiß Bar bin ich hier eigentlich gelandet? Welche Leute geben sich denn hier bitte die Kante? Unfassbar!

Weil ich nicht weiß, wann Onur wieder kommt, kipp ich mir 4 Shots hinter. Mehr schaffe ich nicht, denn Onur steht plötzlich hinter mir. "Was machst du da? Hast du nicht schon genug? Du kannst kaum noch stehen." - "Ach was, ich bin mittlerweile trainiert, ich vertrage so einiges" und während ich zu tun habe diese Worte zu lallen, stolpere ich über meine Füße und falle direkt zwischen 2 Barhocker. Onur zieht mich kopfschüttelt hoch. "oh mann, so etwas habe ich tatsächlich hier noch nie erlebt." - "nun, dann bin ich wenigstens mal eine Premiere. Auch nicht schlecht.", bringe ich gerade noch heraus. Während "Wenn du liebst" von Clueso läuft, kotze ich die beiden Barhocker voll, zwischen denen ich gerade ganz elegant hingefallen bin. Verdammte scheiße. "so, das reicht.", faucht Onur. 

(Fortsetzung folgt)

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